Mieten, Kaufen und Wohnen – 4 Millionen Deutsche träumen von einem Eigenheim

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Fünf ernüchternde Fakten zum Mieten, Kaufen und Wohnen

Vier Millionen Deutsche träumen von einem Eigenheim. Doch ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt, das der Traum sich für viele nicht erfüllen wird. Ein kleiner Trost: Mieten hat auch Vorteile.

Hohe Mieten und steigende Preise für Wohnimmobilien sorgen dafür, dass das Wohnen zur Zeit wie eine neue soziale Frage diskutiert wird. Ein Blick auf die relevanten Daten zum Thema zeigt, dass diese Fallhöhe nicht übertrieben ist. Selbst in einem hochentwickelten Industrieland wie Deutschland wird es immer teurer und schwerer, das Grundbedürfnis des Wohnens zu erfüllen. Wie knapp der Platz für Wohnraum in der dicht besiedelten Bundesrepublik ist, verdeutlicht folgende Zahl: Von der Gesamtfläche des Staatsgebiets zwischen Alpen, Nord- und Ostsee stehen nur 3,8 Prozent als Wohnbaufläche zur Verfügung. Mehr als 80 Prozent der Landesfläche entfallen hingegen allein auf Wälder und Felder, also Natur und Landwirtschaft.

Trotz des knappen Angebots steht dem Einzelnen allerdings immer mehr Platz zur Verfügung. Die Wohnfläche pro Person stieg seit der Wiedervereinigung um ein Drittel auf 47 Quadratmeter. Grund ist die steigende Zahl von Alleinlebenden, deren Wohnungen zwar oft kleiner sind als die von Familien, die aber pro Person mehr Platz bieten. Dass immer mehr Menschen allein leben, hat auch damit zu tun, dass mehr junge Leute Abitur machen und fern des Elternhauses studieren, bevor gegebenenfalls die Familiengründung ansteht.

Wohnfläche steigt kontinuierlich, weniger Einfamilienhäuser genehmigt

Laut statistischem Bundesamt ist die Wohnfläche je Einwohner in Wohnungen in Deutschland seit 1991 von ca. 35 m2 auf 47 m2 (2019) gestiegen. Der Markt scheint sich auf die veränderten Verhältnisse eingestellt zu haben. In den Jahren von 1991 bis 2019 ist die Zahl der Baugenehmigungen für Ein- und Zweifamilienhäuser stark zurückgegangen. Die Genehmigungen für neue Einfamilienhäuser haben sich halbiert – von 188.000 auf 90.000. In entgegengesetzter Richtung entwickelten sich die Genehmigungen zum Bau größerer Wohngebäude mit mehr als drei Wohnungen. Diese stiegen im gleichen Zeitraum von 133.000 auf 188.000. Der politische Gegenwind, der dem Einfamilienhaus aus der Ecke der Klimaschützer entgegenweht, könnte den Trend noch verschärfen.

Nun sind Baugenehmigungen nur eine Sache. Die harte Währung sind die fertig gestellten Wohnungen. Diese Kennzahl ist seit der Finanzkrise stetig gestiegen – auf zuletzt knapp 256.000 im Jahr 2019. Das sind 87 Prozent mehr als während des Tiefs im Krisenjahr 2009. Allerdings waren die fertig gestellten Wohnungen auch schon vorher stark gesunken. Von den 285.000 Fertigstellungen im Jahr 2001 sind wir auch noch weit entfernt. Die Mieten aber liegen heute auf einem weit höheren Niveau als damals. In den vergangenen 20 Jahren sind die Mieten in Deutschland nur gestiegen. Daran konnte selbst der Ausbruch der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr nichts ändern. Steigende Preise sind in einer wachsenden Wirtschaft nichts Ungewöhnliches, doch die Mietsteigerungen erfolgten auch in Jahren mit ungewöhnlich niedriger Inflation. In den Jahren nach der Finanz- und Staatsschuldenkrise bestand die Sorge der Europäischen Zentralbank eher darin, dass die Inflation hinter dem angestrebten Zielwert von bis zu 2 Prozent zurückblieb.

Mieten steigen weiter

Es gibt Fachleute, die sagen, dass Wohnen trotz der steigenden Mieten und Kaufpreise erschwinglich geblieben sei, weil gleichzeitig die Einkommen stiegen und die Zinsen für Immobilienkredite auf ein Rekordtief gesunken sind. Denn wie erschwinglich eine Wohnimmobilie ist, richtet sich nicht allein nach den örtlichen Preisen, sondern auch nach den Gehältern, die dort gezahlt werden. In begehrten Ballungsräumen mit guten Jobs jedoch sind die Preise so kräftig geklettert, dass auch niedrige Zinsen und steigende Gehälter kaum noch Linderung verschaffen. Beispiele sind München oder das Rhein-Main-Gebiet: Seit 2015 haben sich Eigentumswohnungen in Frankfurt um 88 Prozent verteuert. Der durchschnittliche Münchner müsste laut Berechnungen der Postbank mittlerweile knapp die Hälfte seines Einkommens aufwenden, um den Kauf einer Wohnung von nur 70 Quadratmetern zu finanzieren.

Die Zahlen der Postbank zeigen zudem, dass die Finanzierung eines Eigenheims in den Metropolen teurer ist, als dort zur Miete zu wohnen. Angesichts der niedrigen Zinsen kann das nur daran liegen, dass sich die Kaufpreise von den örtlichen Mieten entkoppelt haben. Denn laut Ökonomie-Lehrbuch sollte eine Immobilie eigentlich nur so viel kosten, wie die künftigen Mieten heute wert sind. Käufer sind aber offenbar trotzdem bereit, deutlich mehr zu zahlen.

Wer einmal den Sprung ins Eigenheim geschafft hat, der muss zumindest keine Angst vor steigenden Mieten oder Kündigungen mehr haben. Der Haus- und Wohnungskauf ist also auch zu einen guten Teil Psychologie. Da erstaunt es, dass ausgerechnet die sicherheitsliebenden Deutschen so häufig mieten. Fast zwei Drittel der Deutschen wohnen zur Miete, was im internationalen Vergleich eine sehr hohe Quote ist. Nur die reichen Schweizer übertrumpfen uns in dieser Hinsicht knapp. Das zeigt eine internationale Umfrage durch Statista, die im Zeitraum von Februar 2020 bis März diesen Jahres stattfand. Befragt wurden mindestens 15.000 Personen je Land.

Während der Euro-Schuldenkrise wurde kritisiert, dass die Deutschen Steuerzahler als reiche Geber gesehen wurden, obwohl sie seltener Immobilien besitzen als Italiener oder Spanier. Man kann die hohe Mieter-Quote aber auch als Zeichen für ein verlässliches Rechtssystem und eine funktionierenden Volkswirtschaft sehen. Zum Vergleich: Die niedrigsten Mieter-Quoten ergaben sich in der Statista-Umfrage für Russland, gefolgt von der Volksrepublik China und Indonesien. Wer will, kann das als Beleg dafür sehen, dass Familien in diesen Ländern versuchen, sich gegen rechtliche und wirtschaftliche Unwägbarkeiten abzusichern – mit Wohneigentum.

Quelle: FAZ.net Author: MARK FEHR